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Posts Tagged ‘FDP’

Trauerspiel Politischer Aschermittwoch

Stellen Sie sich einen Westerwelle vor, der sich mal nicht über irgendetwas aufregt, der mal nicht vorm schleichenden Sozialismus warnt oder niedrigere Steuern als Allheilmittel preist. Ein Westerwelle wäre das, der müsste erst geboren werden. Der FDP-Vorsitzende ist eher zu verstehen als Chimäre der politischen Klasse und als Symbol dessen, wofür der Politische Aschermittwoch in diesem Lande steht: Pöbelpolitik, die den Leuten nach dem Munde reden soll, Ideenlosigkeit und Traditionstreue.

Und gerade mit der Tradition hält es der CSU-Vorsitzende Seehofer, denn er weiß, wie man bayerische Anhänger an sich bindet. Proporz, deftig-derbe Sprücheklopferei, Attacken auf Berlin und die eigentlich verbrüderte CDU, usw. Das wichtigste ist allerdings die Stimmung. Man muss die Anhänger im Saal mitreißen, sie gewinnen und daraus Profit schlagen, eine bierselige Stimmung schaffen und am Ende von Halbbesoffenen (ob der Worte oder des Alkohols) gelobt werden.

Bei der FDP und dem schon erwähnten Guido Westerwelle soll es da gesitteter zugehen, doch da spielt der Vorsitzende nicht mit. Anhänger der FDP erreicht man schon dadurch, in dem man den Staatsteufel an die Wand malt, vorm großen Linksbündnis warnt und solch joviale Thesen äußert, wie: „Nur weil die Union nach links geht, werden SPD und Grüne ja nicht schöner.“ Wie gut täte es der FDP, wenn Westerwelle endlich nicht mehr so viel Macht hätte.

Von den restlichen Parteien, von der CDU bis zu den Linken, kam allerdings auch nicht mehr. Angela Merkel bewegte sich mal wieder im heimischen östlichsten Ostdeutschland und hielt ihre Kanzlerinnen-Grundsatzrede, die selbst für treue Anhänger einschläfernd war. Die SPD verteilte sich zum einen nach Ludwigsburg (Baden-Württemberg) und zum anderen nach Cuxhaven, doch das einzig Erwähnbare bleibt ein alter Bekannter: SPD gut, CDU böse, Kurs halten. Grüne und Linke sind Randerscheinungen, die auch mit Randnotizen behandelt werden können: Großbanken verstaatlichen, ökologische Erneuerung.

In der deutschen Politik gibt es mal wieder nichts Neues. Man hätte allerdings auch nichts erwarten müssen und die Vergleiche, die mit den Reden Obamas gezogen werden, sind schon grundsätzlich nichtssagend. Aber eines darf man dann doch fragen: Gibt es einen tieferen Sinn in der Kopflosigkeit führender politischer Schwergewichte dieses Landes oder bedeuten deren Auftritte schlicht und einfach das, was sie oberflächlich aussagen? Denn, wenn das stimmen sollte, wäre die Politik in schwierigen Zeiten wie diesen ein nutzloses Instrument, dessen Saiten nicht nur verstimmt, sondern schon gesprungen sind.

Der Glasperlenspieler

Roland Koch – du schöner Schmetterling

Die gute Nachricht zu Beginn: Heute ist der Tag des Barack Obama und nicht der des Roland Koch. Heute kann man einen Neuanfang in den USA feiern, von dem sich viele frischen Wind, neue Ideen und innovative Handlungsmuster erwarten. Dieser Obama weiß zu gefallen und die Erwartungen sind enorm. Guantanamo, Irak, Afghanistan; Finanzkrise, Umwelt, Gesundheitssystem; das sind die großen Themen und alle müssen so bald wie möglich erfolgreich abgearbeitet werden. Da hat sich einer, und das mit Nachdruck, viel vorgenommen. Die Schultern dieses Mannes müssen die Last eines neuen amerikanischen Vertrauensvorschusses tragen und dieser wiegt schwer.

Doch nun zur traurigen Nachricht, die uns seit spätestens Sonntag, 18Uhr, zur vollen Gewissheit geworden ist: Wir haben hier in Deutschland keinen Obama, sondern wieder mal einen Koch. Roland Koch, der ehemals gefallene Engel von Wiesbaden, dessen Aura einen ganzen Saal ermüden kann und dessen politische Meinung in den letzten Wochen einem kleinen Bächlein glich, das sich den Weg des geringsten Widerstands sucht.

In den USA spricht man von einem „Lame duck“, einer lahmen Ente also, wenn ein neuer Präsident gewählt wurde, der alte aber noch übergangsweise weiter amtiert. Eine ähnliche Rolle nahm Roland Koch im vergangen Jahr ein: Zwar schaffte es Frau Ypsilanti zu keinem Zeitpunkt, eine Mehrheit des Landtags hinter sich zu bekommen und Herrn Koch abzulösen, doch schienen die letzten Gesänge auf ihn eingestimmt und in den großen Zeitungen des Landes wurden schon Nachrufschreiben vorbereitet. Ein Lame duck hat an sich aber ein bedauernswertes Schicksal, denn ihm wird nichts mehr zugetraut, man schiebt ihn aufs Abstellgleis und wünscht einen guten Lebensabend.

Roland Koch, der sich entwindende Wurm, schmetterlingsgleich von der Puppe zur holden Fee, profitiert aber von einer unmöglichen SPD. Die vier „Abweichler“, wie man sie nun im Volke nennt, lassen den hessischen Roland erquicken und exhumieren ein politisches Schwergewicht. Dieses nun, äußerlich geläutert, tritt an und macht den Sack zu. Mit dem Steigbügelhalter FDP kann das gemischte Doppel Koch und Hahn das schöne Hessenländle regieren. Über Themen wird da nicht mehr gestritten, denn es ist wie mit getrennten Zwillingen: Man muss sich nicht kennen, man muss sich nicht lieben, man muss nicht einmal mit einander reden; allein das Aussehen reicht, um für die Öffentlichkeit zu wirken. Was für die hessischen Bürger dabei rumkommt und was die sich da eigentlich gewählt haben – lasst uns nicht darüber reden.

Der Glasperlenspieler

Dem Baum eine Säge. Vom Ende der CSU.

Die Ergebnisse:
Die bayerischen Wählerinnen und Wähler haben entschieden: Die CSU verliert ihre Mehrheit im Landtag und muss nun die Macht teilen. Nach Hochrechnungen ergibt sich folgendes Stimmungsbild:

CSU: 43,0%
SPD: 18,7%
Freie Wähler: 10,3%
Grüne: 9,2%
FDP: 8,1%

Die Linke verfehlt den Einzug ins Parlament knapp, zählt gemeinsam mit den kleinen Parteien aber zu den Gewinnern der Wahl.

Die Handlungsspielräume:
Rein rechnerisch gibt es zahlreiche Koalitionsmöglichkeiten, am Wahrscheinlichsten jedoch ist eine Zusammenarbeit der bürgerlichen Parteien CSU und FDP. Gleichwohl gäbe es für die CSU auch eine Chance zur großen Koalition zusammen mit der SPD, sowie ein Übereinstimmen mit den Freien Wählern, was jedoch unwahrscheinlich bleibt. Eine von SPD und Grünen favorisierte Viererkoalition aus SPD, Grünen, FW und FDP wäre zwar eine Neuheit in der bundesrepublikanischen Geschichte, ist jedoch die unwahrscheinlichste aller Auswahlmöglichkeiten. Der Führungsanspruch bleibt in den Händen der CSU.

Die Konsequenzen:
Die politischen Vorgänge an diesem Sonntag werden in die Geschichtsbücher eingehen. Der Verlust der absoluten Mehrheit der CDU gleicht einem Erdrutschsieg der Demokratie an sich. Eine Alleinregierung kann einem prosperierenden Land wie Bayern ökonomisch zwar nicht schaden, auf politischer Ebene hat sich in den langen Jahren allerdings Filz und Vetternwirtschaft angestaut. Der bayerische Weg, der immer mehr einem Alleinvertretungsanspruch der CSU glich, ist nun beendet und stellt das Existenzrecht eben jener Partei in Frage. Heute könnte der erste Stein in Richtung Auflösung der Christsozialen gelegt sein, ja er müsste es.

Dem Misserfolg der CSU steht jedoch ein gestärktes parlamentarisch-bürgerliches Lager entgegen. Mit dem Einzug der Freien Wähler und der FDP ist auf bürgerlicher Seite ein Machtvakuum gefüllt worden, das seine Strahlkraft vorher zu sehr auf die CSU legte. Die Spielräume einer neuen, fortschrittlichen konservativen Politik könnten nun auch positive Konsequenzen für das Land haben, denn im Mitte-rechts-Lager war demokratische Meinungsmache aufs Abstellgleis gelegt. Eine streitbare FDP darf bei Koalitionsverhandlungen allein der Macht wegen keine Konzessionen gegenüber der CSU machen, sondern muss deutlich auf den eigenen Standpunkten beharren, um den Becksteins und neuen Spitzenleuten innerhalb der CSU das Meistmögliche abzuringen. Überhaupt: In welcher Art und Weise in der Führungsebene der CSU Wechsel vollzogen werden, bleibt offen. Jedoch muss eines deutlich werden: ohne personelle Konsequenzen ist ein notwendiger Neuanfang unmöglich.

Die SPD hingegen ist in einer ausgesprochen misslichen Lage. Zum einen hat sie ihr Wahlziel von circa 25% deutlich verfehlt und konnte damit auch aus ihrem Führungswechsel keine Erfolge erzielen, zum anderen steht sie nun einem nicht mehr unschlagbarem Gegen gegenüber. Die Grünen bleiben trotz Steigerungen hinter den Erwartungen, gerade weil vielleicht auch ihr Spitzenkandidat nicht unbedingt mit Wechselstimmung überzeugte. Und auch die Linke muss konstatieren: Ein Einzug in alle westlichen Landtage muss noch warten, nah dran waren sie allemal.

Bayern hat gewählt und die Wälder sind weiterhin tiefschwarz. Doch die CSU fällt von den Bäumen, an denen FDP und Freie Wähler sägten. Das Bäumchenwechseldich-Spiel ist in vollem Gange, doch grüne Wiesen wachsen nur bedingt. Bayern muss sich weiter wandeln. Ein erster Schritt ist gemacht, viele weitere müssen folgen.

Der Glasperlenspieler

Die Wahl ist entscheidend

In einem Jahr und etwas mehr ist es wieder so weit. Der demokratische Staat ruft zur Stimmenabgabe. Bundestagswahl und Landtagswahlen in verschiedenen Bundesländern, deren Termine nur zum Teil genau feststehen. Ein Großteil möchte sich nun fragen: Wahlen – für was? Manchmal frage ich mich das auch … doch der grüne Zweig findet sich leichter als das Goldene Vlies!

Unser demokratische Rechtsstaat wird gerade durch regelmäßige Wahlen legitimiert, das ist keine Neuheit. Neu ist aber ein Verständnis von Wahlen, die sich als vom Bürger entfremdet darstellen. Wählte man früher aus Überzeugung, so tut man es heute aus Trotz. Unterstützte man früher eine Partei, wählt man heute nur gegen die andere politische Richtung. Legte man früher Pathos in den Wahlgang, der gleich nach dem Kirchgang das wichtigste am Sonntag war, schaut man heute zuerst, ob das Wetter mitspielt.

Überhaupt das Wetter: das politische Tagesgeschehen gleicht einer Wettervorhersage vom Vortag: ob man daran glaubt, liegt nur am Grad der Naivität. Dabei ist es doch viel einfacher, wie folgende Kurzdarstellung zeigt, die politische Landschaft zu entschlüsseln, wenn man von einigen Rechts-Links-Grundannahmen ausgeht:

  • CDU/CSU: Mitte-rechts;
  • SPD: Mitte-links;
  • FDP: Mitte-rechts;
  • Linke: links;
  • Grüne: Mitte-links

Daraus ergeben sich, zumindest für die kleinen Parteien konkret, deutliche Interessenvertretungen, die zumindest 50% der Politik der jeweiligen Partei ausmachen. Zumindest 25% lassen sich Partikularinteressen und 10%  Verwandteninteressen zurechnen. Damit bleibt der Spielraum für auf das Gemeinwohl ausgelegte Interessen mit 15% doch sehr gering. Doch hier kommt nun die Crux:

Das ist unser politisches System und genau so muss es funktionieren. Hätten wir keine Interessenvertreter, die eben zuhauf nicht unsere Interessen vertreten, wären wir zurück in der Anarchie, die sich nur fragwürdige Geister wirklich wünschen würden. Gerade im Widerspruch liegt der Sinn der Sache:

  • Gäbe es keine Studiengebühren, gäbe es keinen Protest dagegen, aber auch keine Unterstützer.
  • Gäbe es keinen Spitzensteuersatz müssten alle eine Flat Tax zahlen, die ärmsten der Armen wären am untersten Hungertuch und darunter.
  • Gäbe es keine Krankenversicherungsbeitrag, der von Arbeitgebern und Arbeitnehmern gezahlt wird, müsste er nur aus der jeweils eigenen Tasche gezahlt werden.

Gerade weil wir nicht mit allem einverstanden sind, kann das uns Entgegengesetzte existieren. Gerade weil wir wählen, werden die gewählt, die wir nicht wollen. Gerade weil wir uns zu Hause auf dem Sofa über das Fernsehprogramm aufregen, läuft die nächste schlechte Sendung. Denn genau dein Nachbar schaut mit flehender Seele und voller Begeisterung gerade das Programm jeden Abend. Genau der da drüben hat nicht das gewählt, was du wolltest (und erst dessen Ehefrau/Ehemann) und schon sind da zwei Stimmen bei der SPD, die gerade du verabscheust. Denn genau in der ungleichen Meinung liegt der immense Vorteil dieses Systems: Es lässt Meinung zu. Ob es sie aufnimmt und verarbeitet, dafür kannst du dich selbst einsetzen oder musst resignieren.

Und so hat auch die Wahl in einem Jahr ihr Berechtigung. Denn ohne Wahl keine Wähler und Gewählten.

Der Glasperlenspieler

CDU Nordsachsen liebäugelt mit Nazis

Nachtrag:
Am gestrigen Donnerstag wurde der im Beitrag beschriebene Skandal nun Realität, wie die taz nun berichtet: NPD-Mitglieder wurden mit 5 Stimmen in Ausschüsse gewählt, obwohl nur drei NPDler anwesend waren. Kandidaten der Freien Wähler gingen dafür leer aus. Die NPD freut sich und konstatierte: „Im Kreistag gibt es keine geschlossene Anti-rechts Front.“ Das ist der erste Schritt einer Zusammenarbeit von CDU und NPD. Werden weitere folgen?

Was die Tageszeitung taz in ihrer heutigen Ausgabe berichtet, muss man zweimal lesen, bevor man es wirklich glaubt: Die CDU im nördlichen Sachsen möchte mit der NPD zusammenarbeiten. Nach dem Einzug der Nazis in alle Kreistage Sachsens, scheint man sich also langsam daran gewöhnt zu haben, neben Menschen zu sitzen, die das Land von Ausländern säubern wollen. Doch reicht das anscheinend noch nicht: Wenn sie es schon einmal ins Parlament geschafft haben, kann man auch gleich mit ihnen zusammenarbeiten. Der Fraktionschef der CDU im Kreis Nordachsen sagte zur taz: „Nein, Anträge der NPD werde ich nicht einfach ablehnen, nur weil sie die NPD stellt.“

Und natürlich meint auch der Bürgermeister Mügelns und Fraktionschef der FDP, Gotthard Deuse, der mit der DSU zusammenarbeitet: „Ausgrenzen bringt nichts.“ Gotthard Deuse ist in solchen Fällen ja kein unbeschriebenes Blatt, gab er der Rechtspostille Junge Freiheit doch ein deutschtümelndes Interview und zeigte im Falle der Hetzjagd gegen Inder durch seine Stadt keine Engagement gegen Rassismus.

Scheint es nun also so weit zu sein, dass man den Tabubruch wagt und mit Biedermännern in Anzug gemeinsame Sache macht und die antisemitischen Parolen und nationalsozialistischen Verklärungen im Hintergrund akzeptiert? Ist dies der ins Rollen gekommene Stein, der nicht mehr aufzuhalten ist und der das Tor für Gedankenspiele öffnet, die die geschundene deutsche Seele verlangt? Oder kann man gar von kluger Berechnung sprechen, da Teile der CDU schon lange davon ausgehen, dass Unterschiede zwischen Linkspartei und NPD nicht zu finden seien? Ist damit die Normalisierung von Neonazismus perfekt?

Eine interessante Studie legt die taz am Ende ihres Berichtes dar: Eine Analyse der Friedrich Ebert Stiftung stellt die Folgen der Einbindung der NPD vor und meint, dass bei NPD-Anträgen immer die „Prinzipien der Menschenwürde“ und „Toleranz“ gewahrt sein müssen und konstatiert: „Die Anträge der extremen Rechten sind konsequent abzulehnen, damit ihnen kein politischer Spielraum eingeräumt wird.“ Danke taz, für diesen deutlichen Bericht.

Der Glasperlenspieler