Zögerlicher Auftakt der Fußball-WM in Südafrika
WM-Kolumne #2
Südafrika – Mexiko 1-1
Uruguay – Frankreich 0-0
Der erste Tag der Fußball-WM ist vorbei und eines kann man wohl schon sagen: den späteren Weltmeister haben wir heute noch nicht gesehen. Schwache Spiele, die eher von Kampf und viel Klein-klein bestimmt waren, typisch für den Auftakt einer WM. Es herrscht noch viel Unsicherheit, keiner weiß wo er steht und niemand möchte sich zu schnell aus der Reserve locken lassen, nur um im nächsten Moment einen Konter zu verpassen. Alles normal, soweit, nur an die Vuvuzelas, diese langen, trompetenartigen Blasinstrumente, muss man sich noch gewöhnen, die wie ein Dauerorchester das Stadion beherrschen.
Bei den heutigen Spielen konnte keine Mannschaft wirklich überzeugen. Im Abendspiel zwischen Uruguay und Frankreich kam Torgefährlichkeit erst in den letzten zehn Minuten auf, nachdem die Uruguayer nur noch zu zehnt waren und Frankreich Henry und Malouda eingewechselt hatten. Während des Spiels stellte man sich oft die Frage, ob hier überhaupt eine Mannschaft gewinnen will oder man sich gleich mit einem Null-Null zufrieden gibt. Nichtangriffstaktik und Standfußball, ein Ribery, der doppelt gedeckt klug aus dem Spiel genommen wurde und ein französischer Trainer, der Anweisungen gab, die keiner hören wollte. Während der Vorbereitung war das Land mit seiner Equipe Tricolore hart ins Gericht gegangen, besonders Trainer Raymond Domenech, ein Sturkopf vor dem Herrn, drang nicht mehr zu den Spielern durch. Das merkte man heute auch im Spiel. Mit dieser Einstellung wird es schwer für Frankreich, die Vorrunde zu überstehen.
Im Auftaktspiel zwischen Südafrika und Mexiko, das schon um 16 Uhr angepfiffen wurde, musste man zunächst auch mit eher zögerlichen Aktionen Vorlieb nehmen. Man spürte deutlich den Druck, dem die Bafana Bafana ausgesetzt war. Doch die zweite Halbzeit entschädigte, da das südafrikanische Team in Führung ging und einen leisen Traum weckte, der schon Minuten später von den Mexikanern zum Platzen gebracht wurde. Doch hier zeigten sich zwei Mannschaften, denen man die Anstrengungen zumindest abnahm. Der südafrikanischen Seele kann dies nur gut tun. Man muss allerdings die nächsten Spiele abwarten, um zu sehen, ob die Vuvuzelas weiter tröten dürfen oder schon wieder eingepackt werden müssen. Manch einer würde sich darüber sogar freuen.
Christian Helfricht
Das große Favoritensterben
(EM-Kolumne, Teil 9)
Das Besondere an großen Meisterschaften liegt gerade in ihrer Unvorhersagbarkeit. Es gibt einen großen Kreis von Favoriten, zum Anfang der EM waren es Portugal, Deutschland, Spanien, Italien, Niederlande und Frankreich, dann gibt es die sogenannten Geheimfavoriten, das waren Russland, Griechenland und Kroatien, und zu gute Letzt gibt es die kompletten Außenseiter, als da wären die Gastgeber Österreich und Schweiz, Polen und Rumänien. Doch vieles hat sich im Laufe der EM verändert, besonders auf Seiten der Favoriten.
Portugal schien in der Vorrunde noch locker durchzumarschieren, doch schon im Viertelfinale war gegen Deutschland Schluss. Das deutsche Nationalteam wird nun nach zwei schwachen Spielen den hohen Erwartungen gerecht. Den Weg ins Viertelfinale verpasst haben die Franzosen, deren veraltete Spielweise nicht mehr ziehen mag, Ähnliches gilt auch für Tschechien.
Doch gestern gab es die zweitgrößte Überraschung der Meisterschaft (die größte bleibt den phänomenalen Türken vorbehalten): Russland wirft den Topfavorit Niederlande mit einer bärenstarken Leistung aus dem Turnier und spielt den modernsten Fußball, den man unter den europäischen Teams gesehen hat. Eine junge Mannschaft mit einem erfahrenen Trainer, Guus Hiddink, deren Zeit vielleicht noch nicht zu dieser EM gekommen ist, der aber die Zukunft gehört.
Und auch heute muss ein Topfavorit gehen: Italien verliert im Elfmeterschießen mit 2:4 gegen Spanien. Das große Favoritensterben geht also weiter. Nun wird Spanien Gegner des russischen Teams. Viel Spaß dabei!
Der Glasperlenspieler
Das glückliche Händchen des Marco van Basten
(EM-Kolumne, Teil 7)
Da scheint es einer ganz schlecht zu meinen mit den Franzosen. Analog zum WM-Finale vor zwei Jahren spielt die französische Mannschaft seit Mitte der ersten Halbzeit nur noch zu zehnt, nachdem schon gleich zu Beginn ihre Bester, Franck Ribéry, nach einer Verletzung ausfiel. Ein Elfmeter beendet alle Träume und lässt die Italiener jubeln. Ein engagierter aber glückloser Luca Toni weiß am Ende, wie es sich gehört zu jubeln, denn er weiß, dass er alles besser kann.
Im zweiten Spiel des Abends enttäuschen die Rumänen, die von einigen Experten als Mitfavouriten gehandelt wurden, gegen ein B-Team der Niederlande. Man hätte mehr erwartet, der rumänische Trainer nimmt seine Spieler allerdings in Schutz: „Wir standen schon am Anfang unter Druck, als wir jedoch vom Tor der Italiener gegen Frankreich erfuhren, wurde es noch viel schwerer.“ Man möchte es verstehen, hätte sich aber mehr Einsatz und Spielfreude gewünscht.
Vielleicht war das aber auch gar nicht möglich. Die Holländer scheinen selbst mit einer zweiten Mannschaft, die auf neun Positionen ausgewechselt wurde, unglaubliche Spielstärke aufweisen zu können. Trainer Marco van Basten hat die Mannschaft wie keine Zweite zur EM hin aufgebaut und kann nun die Früchte seiner Arbeit ernten. Besonders mit seinen Einwechslungen bewies er ein glückliches Händchen.
Doch nicht zu früh gefreut. Denn im Halbfinale könnte schon Schluss sein. Da könnte man auf die Italiener treffen, die zum Glanz der Weltmeister zurückgekehrt sind und mit einem verbesserten Toni den Niederländern das Leben schwer machen könnten. Zuvor entscheidet sich allerdings heute Abend, wer zum Herausforderer der Niederländer im Viertelfinale wird: Russland oder Schweden.
Der Glasperlenspieler