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Glashaus SPD. Wann fliegen die Steine?

Zuerst die Fakten: … SPD-Parteichef Kurt Beck hat überraschend sein Amt als Parteivorsitzender abgegeben … Franz Müntefering soll zum zweiten Mal den Parteivorsitz übernehmen … Außenminister und Vizekanzler Frank-Walter Steinmeier wird bis zur Wahl Münteferings auf einem Sonderparteitag die Partei führen und Kanzlerkandidat der SPD zur Bundestagswahl 2009 werden … Am morgigen Montag berät der Parteivorstand über das weitere Vorgehen …

Dies ist also die Gemengelage nach einem politischen Erdrutschtag. Dies sind die Ergebnisse eines Durcheinanders, das gestern durch erste Meldungen zur Entscheidung der Kandidatenfrage ausgelöst wurde und dem verschiedene Kurzschlussreaktionen folgten. Man muss nun fragen, was für politische Konsequenzen zu ziehen sind.

Zum einen scheint für Kurt Beck nun das politische Ende gekommen zu sein. Zwar bleibt er Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz, seine politische Karriere, die 1972 mit dem Eintritt in die SPD beginnt und einen Aufstieg über verschiedene politische und Parteiämter bis zum Vorsitzenden nimmt, wird nun jedoch mit dem Abschied aus der Bundespolitik abgebrochen. In einer persönlichen Erklärung nennt er eine gezielte Kampagne der Medien gegen seine Person und klare Falschdarstellungen als Gründe, keine integere Politik mehr verantworten zu können. Sein Handlungs- und Entscheidungsspielraum sei damit eingeschränkt, besonders seine Autorität habe er verloren.

Zum anderen bedeutet dies einen Neuanfang für Franz Müntefering, der nach dem Tod seiner Frau Ankepetra nun den Weg zurück in die Politik sucht. Richtig weg war er jedoch nie. Als kluger Denker und ehrlicher Sozialdemokrat vom alten Schlag ist ihm nun die Rolle beschieden, die er in den Jahren 2004 und 2005 schon einmal innehatte. Er ist einer der Großen in der SPD, seine Worte finden ebenso Gehör wie die der SPD-Vordenker Erhard Eppler und Egon Bahr. Seine Verbundenheit zu alten sozialdemokratischen Tugenden und sein Gespür für das Innenleben der Partei könnten der SPD wieder die Position im politischen Establishment verschaffen, die ihr eigentlich gehören sollte: das soziale Gewissen der Bundesrepublik.

Nicht zu vergessen, und das ging am heutigen Tage fast unter, die Entscheidung für den Kanzlerkandidat Steinmeier. Er sei bereit anzutreten, was jedoch nicht zu bedeuten habe, dass nun schon der Wahlkampf beginnt. Die Aufholjagd habe angefangen; in Wirklichkeit bleibt aber zu konstatieren: dies ist die letzte Chance der SPD. Wird das Duo Müntefering/Steinmeier nicht bald bessere Umfragen bringen, werden Kritiker, besonders auf Seiten der Linken, mit deutlichen Steinwürfen nicht rücksichtsvoll sein. Wird das Glashaus der SPD nun brechen?

Der Glasperlenspieler

Er ist’s

Frühling läßt sein blaues Band
Wieder flattern durch die Lüfte;
Süße, wohlbekannte Düfte
Streifen ahnungsvoll das Land.
Veilchen träumen schon,
Wollen balde kommen.
– Horch, von fern ein leiser Harfenton!
Frühling, ja du bist’s!
Dich hab ich vernommen!

Eduard Mörike

Es scheint sich nun also das zu bestätigen, was viele schon lange vermutet hatten und was sich mit der Rückkehr von Franz Müntefering in die aktuelle Tagespolitik nun mehr und mehr verdichtete: Frank Walter Steinmeier wird Kanzlerkandidat für die SPD zur Bundestageswahl am 27. September 2009. Damit fiel die Entscheidung nach Medienberichten von Berliner Zeitung und Spiegel nun doch schon deutlich eher, als zuvor geplant.

Am morgigen Sonntag geht die SPD-Führung in Klausur und wird Steinmeier offiziell vorschlagen. Damit wird deutlich, in welch desolater Lage sich die Partei zur Zeit befindet. Die Präsentation von Kanzlerkandidat Steinmeier ist der letzte Rettungsanker der Konservativen in der SPD, die sich von einem zunehmend offensiver auftretenden linken Flügel zurückgedrängt fühlen. Gleichwohl ist es ein Zeichen für die politische Konstellation in Hessen und das Verhältnis zur Linkspartei. Mit Steinmeier ist nun ein Jünger der alten Schröder-Agenda-Riege am Zug, dessen innenpolitische Erfahrung sich jedoch erst noch zeigen muss. Seine konsensfähige außenpolitische Linie wird ihm in einer sich immer weiter globalisierenden Welt hilfreich sein. Eine Wahl hat er allerdings noch nie gewonnen.

Was nun aus Kurt Beck wird, bleibt offen. Der symphatisch-provinzielle Pfälzer hat in der Berliner Politik nie wirklich Fuß gefasst und auch im eigenen Bundesland verliert er neuesten Umfragen zufolge Anhänger. Sein unkonventioneller Schlingerkurs im Umgang mit der Linkspartei, seine oft unbeholfene Art im Umgang mit der Medienöffentlichkeit und sein schwacher Führungsstil haben ihm den Weg ins Bundeskanzleramt verwehrt. Hat die SPD nun auch ihren nächsten Vorsitzenden verloren?

Der Glasperlenspieler (findet: Beck muss Vorsitzender bleiben)

Das schwarze Schaf

Da haben wir den Salat. Das schwarze Schaf der hessischen SPD-Fraktion, Dagmar Metzger, will Frau Ypsilanti nicht wählen, wenn sie auf die Stimmen der Linken angewiesen ist, um das Amt der Ministerpräsidentin zu übernehmen. Sie ist Neuling in der Fraktion. In ihrer ersten richtigen Pressekonferenz, bei der sie doch sehr aufgeregt war, wie sie selber sagte, verdeutlichtet sie ihre Gründe für die ablehnende Haltung. Sie verabscheue Lügen, könne es nicht mit ihrem Gewissen vereinbaren, den Bürgern das Versprochene wieder zu nehmen. Auch die Erfahrungen ihrer Familie mit dem SED-Staat DDR helfen da nicht gerade für die Öffnung in Richtung Linkspartei. Sie hat es damit geschafft, dass die SPD in eine schwere Krise fällt.

Und nun steht alles auf der Kippe. Ypsilanti scheint schwer angeschlagen, die Flamme des Roland Koch war schon erloschen, doch nun erhält sie wieder Zunder. In seiner abartigen Art spottet er über seine Gegner, noch Stunden zuvor hatte er kleinlaut und müde gewirkt. Kurt Beck, der dicke Affe, gerade noch schwer von seiner Krankheit gezeichnet, greift am kommenden Montag wieder in das politische Geschehen ein. Er hat eine Bundespressekonferenz anberaumt, Indikator für schwerwiegende Bekanntmachungen, manche spekulieren mit dem Gröbsten. Und auch der von Beck eingelegte Linksruck, umstritten genug, kann nun wieder für die Katz gewesen sein.

Der Glasperlenspieler (bedauert das)

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Hessische Verhältnisse erwartet

24. Februar 2008 1 Kommentar

Politisch kommt man ja aus dem Staunen nicht mehr raus. Eine Aufregung um die Äußerungen von Herrn Beck, die Union in Rage, droht mit Koalitionsbruch, Merkel kann bei einer Zusammenarbeit der SPD mit den Linken den Koalitionsfrieden nicht mehr garantieren und die Bayern holen die Kommunisten-Karte aus der Rumpelkammer. Die FDP spricht von Wortbruch, die Grünen halten sich dezent zurück und die Linke, vertreten durch Herrn Gysi, zweifelt an der Zusammenarbeit.

Naja, im Westen nichts Neues also. Für die Wahl in Hamburg am heutigen Sonntag verspricht das allerdings genügend Zunder, schwebt doch über den Dächern der Hansestadt das Gespenst der hessischen Verhältnisse (ob der Name in die Geschichtsbücher eingehen wird?!). Viele spannende Fragen stehen an:

1. Gibt es eine Mehrheit für Schwarz-Gelb oder Rot-Grün?
Wohl nicht!

2. Ist eine Koalition zwischen Union und Grünen möglich?
Wohl nicht!

3. Wird stark wird die Linke?
ungewiss, wahrscheinlich aber über der 5-%-Hürde

4. Schafft es die FDP in den Landtag?
ungewiss, Tendenz eher zu nein

5. Inwieweit sind Konsequenzen aus der Steueraffäre sichtbar?
ungewiss, jedoch kann es den Protestparteien helfen

6. Schafft die SPD Zuwächse?
ja, jedoch entscheidet die Höhe auch über das Vertrauen in den Vorsitzenden Beck

7. Verliert die CDU die absolute Mehrheit?
deutlich ja

8. Wie hoch ist die Wahlbeteiligung?
nicht zu sagen

9. Schadet der Linken die Debatte um DKP-Mitglieder auf den Listen?
eher nein

10. Inwieweit kann der Politiker Naumann gegen den Mensch Beust überzeugen?
wahrscheinlich zu wenig

Also, man muss abwarten. Mal wieder. 18 Uhr gibt es die ersten Hochrechnungen, die ersten wirklich verlässlichen Ergebnisse werden für 21 Uhr erwartet, das vorläufige amtliche Endergebnis für 23 Uhr, genaue Informationen über einzelne Wahlkreise und Kandidaten werden erst in der kommenden Woche anstehen, den das neue Wahlrecht hat für einige Verwirrungen gesorgt.

Der Glasperlenspieler (verabschiedet sich bis heute Abend)

Herr Beck, das haben Sie gut gemacht

Da dieser Blog in letzter Zeit nur von politischen Themen bestimmt wird, was nicht jedem gefallen mag, möchte ich auch gleich da weiter machen, wo ich beim letzten Eintrag aufgehört habe. Wenn ich nach Diskussionen schreie, dann ist das bei mir nicht anders, als in der elitären politischen Klasse.

Nun stehen wir vielleicht vor dem bundesweit ersten rot-rot-grünen Bündnis und schon will es keiner gewesen sein. Beck: keine Zusammenarbeit, Steinbrück: keine Beteiligung der Linken an der Regierung, Ypsilanti: keine direkte Zusammenarbeit. Naja. Wenn ich das einmal deuten dürfte:

1. Ypsilanti wird sich mit den Stimmen der Linken zur Ministerpräsidentin wählen lassen.
2. Es wird einer Tolerierung geben, in dem Sinne, dass man mit der linken Mehrheit gemeinsame Projekte durchsetzen wird.
3. Diese Regierung wird sicher schon vor dem Ablauf der Amtsperiode Neuwahlen ansetzen.

Sicher, garantieren kann man das nicht, doch scheint der Wille von Kurt Beck Roland Koch als Hessen-Chef aus dem Amt zu treiben sehr hoch zu sein, höher allemal als die verteufelte Zusammenarbeit mit den ehemaligen linken Schmuddelkindern nicht einzugehen. Man kann ihm Wortbruch vorwerfen, wie es Westerwelle tut, der mit seiner FDP nun das Umfallerimage ablegen möchte, aber man kann ihm auch gratulieren:

Herr Beck,
das haben Sie gut gemacht.
Ein Zusammenfinden der linken Kräfte Deutschlands war überfällig, eine europäische Normalität wäre damit hergestellt. Die ewige Dämonisierung des linken Randes hätte deren Partei noch weiter erstarken lassen. Sie sind ein Fuchs, Sie. Die Linkspartei in der Regierung schwächen, entzaubern, den Mantel ablegen, die Hände reichen und die Messer hinterm Rücken wetzen.

Der Glasperlenspieler (kommt nicht umhin, sich vor Freude in die Unterlippe zu beißen)