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Posts Tagged ‘Linke’

Was kostet der Kirchentag?

Es ist wieder etwas Ruhe in den Dresdner Straßen eingekehrt. Die Gäste des Evangelischen Kirchentags sind wieder abgereist, doch die Debatte um die Finanzierung der Großveranstaltung hat gerade erst begonnen.

Die Stadt Dresden hat für den Kirchentag zwei Millionen Euro ausgegeben. Geld, so meint der ein oder andere Stadtratsabgeordnete, das an anderer Stelle besser angelegt sei. Zum Beispiel in der Jugendhilfe, die sich in letzter Zeit massiven Sparzwängen ausgesetzt sah, die zu deutlichen Einschränkungen geführt haben. Einige Mitarbeiterstellen wurden zusammengestrichen und eine flächendeckende Versorgung ist schon lange nicht mehr gewährleistet. Die Kritik, die hauptsächlich von Abgeordneten der Linken, SPD und FDP geäußert wird, geht aber noch darüber hinaus: Warum soll eine Stadt wie Dresden, deren Bürger in einem deutlich überwiegenden Teil nicht konfessionell gebunden sind, überhaupt Geld für „Kirchensachen“ ausgeben? Was ist mit anderen Religionsgemeinschaften, die keine Unterstützung erhalten? Und wie war das nochmal mit dem Laizismus?

Die Kritik ist weitreichend, ja sie ist sogar grundsätzlich. Aber in aller Grundsätzlichkeit kann dieser Kirchentag nicht gefasst werden, denn bei aller Kritik an der vorgeworfenen Verbrüderung von Staat und Kirche: Dieser Kirchentag war gut für Dresden – in ideeller wie finanzieller Hinsicht. Viele Kirchentagsbesucher waren überwältigt von der Stadt, von den Menschen und der gesamten Organisation der Veranstaltung. Für Dresden hat das einen Wert an sich. Die Bilder, die von Dresden in die deutschen Wohnzimmer gesendet wurden, sind durchweg positiv. Was man bisher von Dresden hörte, waren zuhauf Negativschlagzeilen: Welterbe – weg! Nazis und Ausschreitungen um den 13. Februar – hier ist das möglich! Denkst du an Dresden, dann sind diese fragwürdigen Auszeichnungen immer im Hinterkopf. Natürlich gibt es hier die Frauenkirche, den Zwinger, die Semperoper, barocken Pomp und schöne Museen, Einkaufsoasen und Flaniermeilen, aber dass Dresden auch für den Kirchentag gerüstet ist, das dachte vielleicht nicht jeder. Es wurden Seiten der Stadt vermittelt, die bisher wenig bekannt waren. Menschen, die ohne den Kirchentag vielleicht nie hierher gefunden hätten, sind beeindruckt, wollen wiederkommen und können natürlich auch zuhause berichten.

Und auch die finanzielle Seite sei noch erwähnt. Zwei Millionen an Ausgaben, stehen in etwa 27 Millionen an Einnahmen entgegen (laut DNN). Diese Gelder gehen in Unternehmen der Stadt und der Region.

Christian Helfricht

Wahljahr 2011

Das politische Jahr 2011 startet mit vielen spannenden Fragen, Streitereien und Vorbereitungen für die sieben Landtagswahlen, die auf dem Tableau stehen. Wenn es so viele Wahlen in einem Jahr gibt, dann ist man in der Vergangenheit immer davon ausgegangen, dass sich an Reformvorhaben und ähnlichem nicht viel tun wird. Das wird auch dieses Jahr nicht anders sein. So zumindest lassen es die neuesten Eindrücke vermuten, die man aus dem Regierungslager so mitbekommt. Schäuble sagt Steuersenkungen für 2011 ab, die FDP dementiert und verspricht Besserung. Im Streit um die neuen Hartz IV-Regelsätze ist auch keine Einigung in Sicht. Obgleich Waffenruhe erklärt wurde, keifen sich die Verhandlungsführerinnen gegenseitig an und schreiben böse Briefe. Was es den Arbeitslosen nützt, bleibt abzuwarten.

In der FDP rumort es gewaltig und alles wartet gespannt auf das Dreikönigstreffen in Stuttgart. Ob sich Westerwelle am Parteivorsitz halten kann, wird unter Anderem auch davon abhängen, ob er es schafft, die Parteibasis hinter sich zu bringen und die verschiedenen Flügel zu einen. Hier ist die Tendenz eher dahingehend, dass sich Westerwelle möglicherweise bis zum Parteitag an der Spitze hält, dann aber nicht mehr antritt. Vieles wird auch davon abhängen, wie die FDP bei den kommenden Landtagswahlen abschneidet. Für die FDP ist ein Neuanfang unabdingbar, so sie nicht in der Versenkung verschwinden möchte. Ob es momentan geeignete Nachfolger gibt, ist allerdings zu bezweifeln: Generalsekretär Lindner gilt als zu unerfahren, aber beliebt, Wirtschaftminister Brüderle als zu alt und zu wenig vermittelbar.

Wie gewohnt trifft sich auch die CSU in Wildbad Kreuth zur Klausurtagung. Und auch bei den Bayern ist nicht alles Gold, was glänzt. Nach dem Streit um Rente und Wehrreform, beides wichtige Themen für Seehofer, erwarten nicht Wenige ein reinigendes Gewitter. Wie lange sich Seehofer noch halten kann, darüber kann man zwar lange debattieren, auf einen plötzlichen Wechsel an der Spitze deutet aber zunächst nichts hin. Interessant ist in dem Zusammenhang eine neue Wahlumfrage, die der CSU, wenn am nächsten Sonntag gewählt werden würde, 45% zuschreibt. Parteichef Seehofer aber würde mit seinen persönlichen Werten deutlich schlechter abschneiden, Verteidigungsminister zu Guttenberg würden die Befragten mehr Führungskraft zutrauen.

Die Wahlen werden das Jahr also gliedern, sie werden politische Entscheidungen schwieriger machen und die Unterschiede zwischen den einzelnen Parteien verdeutlichen. Am 20. Februar wird in Hamburg gewählt, am 27. März in Rheinland-Pfalz und am 22. Mai in Bremen. Bei diesen drei Wahlen kann man damit rechnen, dass die SPD den Ministerpräsidenten (Kurt Beck) bzw. den Ersten Bürgermeister (Olaf Scholz, Jens Böhrnsen) stellen wird. Bei den anderen vier Wahlen ist eine klare Vorraussage unmöglich. Am 20. März wird in Sachsen-Anhalt gewählt, hier zeichnet sich eine Weiterführung von Schwarz-Rot ab, da die SPD nicht in eine von den Linken geführte Regierung eintreten möchte. Eine Woche später wird in Baden-Württemberg gewählt und auch hier sind die Felle noch nicht verteilt. Schafft es Stefan Mappus das Ruder noch einmal rumzureißen und die unter dem Stuttgart21-Protest hochgespülten Grünen zu stoppen oder ist Baden-Württemberg das erste Land mit einem grünen Ministerpräsidenten (Winfried Kretschmann)? In jedem Fall spielt die SPD hier nur eine untergeordnete Rolle. Am vierten September wird im beschaulichen Mecklenburg-Vorpommern gewählt. Umfragen zufolge könnte die CDU mit Hinzugewinnen rechnen, die SPD mit Verlusten. Ob es Ministerpräsident Erwin Sellering (SPD) gelingt, wiedergewahlt zu werden, ist noch nicht vorauszusehen. Manche rechnen mit einer Wiederaufnahme von Rot-rot. Zwei Wochen später steht dann die letzte Landtagswahl des Jahres an – in Berlin. Hier ist jeder gespannt auf das Duell zwischen Bürgermeister Klaus Wowereit und der Fraktionschefin der Grünen im Bundestag, Renate Künast. Zunächst sah es so aus, als könnte Künast Wowereit wirklich gefährden, in den letzten Umfragen hat sich das Blatt wieder leicht Richtung Wowereit gewendet. Hier ist der Ausgang ungewisser denn je. Die bürgerlichen Parteien FDP und CDU spielen in Berlin auf jeden Fall keine Rolle.

Für politisch Interessierte ein wirklich spannendes Jahr 2011. Man kann nur hoffen, dass es den Parteien gelingt, ein wenig Streit zu schlichten und sich nicht öffentlich andauernd die Beine zu stellen – vielleicht würde mehr Bereitschaft zur Kooperation auch dem Politikverdruss entgegen wirken. Man kann des weiteren nur darauf hoffen, dass zwischen den Wahlkämpfen auch noch Zeit bleibt für politische Entscheidungen. Wie auch immer …

Zum neuen Jahr wünsche ich allen Leserinnen und Lesern alles Gute, Gesundheit, Erfolg und Wohlergehen,

Christian Helfricht

Frau Lieberknecht und die Althaus-Riege

Du darfst dir nie ganz sicher sein. Das sind Worte, die besonders in der Politik gelten. Und: In der Politik gibt es keine Freundschaften, nur Zweckgemeinschaften. Was vielleicht hart klingt und in Ausnahmefällen nicht stimmen mag, wird Frau Lieberknecht(CDU) nach dem Scheitern in den ersten zwei Wahlgängen um das Ministerpräsidentenamt wohl durch den Kopf gegangen sein.
Wer war nun der Heckenschütze, wer hat Frau Lieberknecht zunächst ins offene Messer fallen lassen? Wem wäre es am ehesten zuzutrauen und was sind die Argumente? All diese Fragen führen zu nichts, denn sie können nie mit letzter Gewissheit beantwortet werden. Die wichtigere Frage ist die nach der politischen Verantwortung und den Konsequenzen für das Land und dessen neue Regierung. Was kann eine angezählte Ministerpräsidentin erreichen? Wie soll regiert werden mit der Gewissheit von Abweichlern in den eigenen Reihen? Was bringt Thüringen eine Regierung, die schon bei der Frage nach dem wichtigsten Amt Uneinigkeit zeigt?

Frau Lieberknecht, die einzige Ministerpräsidentin in Deutschland, durfte nun also auch schon Bekanntschaft mit dem Simonis-Effekt machen, und es scheint sich da eine Meinung zu bestätigen: Frauen werden in hohen Ämtern benachteiligt, ja ihnen wird weniger zugetraut ein Amt zu führen. Heide Simonis, die damals scheiterte, sagt: „Diese Männer, die so etwas tun, hassen Frauen.“ Ob es nun Männer waren oder nicht – wer weiß das schon. Allein die Frage, ob Frauen nur deswegen scheitern, weil sie eine Frau sind oder wegen ihrer Kompetenzen, steht hier zur Debatte. Und Frau Lieberknecht ist sicher für das Amt geeignet, wie auch immer man politisch zu ihr stehen mag. Woran also scheiterte sie zunächst?

Frau Lieberknecht hat sich schon große Zustimmung in der eigenen Partei erarbeitet, aber eben nicht nur. Das Lager um Althaus und andere Ex-Minister ist noch stark vertreten. Gegen sie muss Lieberknecht nun einen Balanceakt bestreiten: Auf der einen Seite muss sie sich abgrenzen, um politische Authentizität zu wahren und einen Neuanfang zu postulieren. Auf der anderen Seite darf sie keine politischen Hürden in der Fraktion aufbauen, muss persönliche Fehden vermeiden und Zugeständnisse machen. Nicht zu vergessen, darf sie auch die SPD nicht verschrecken, denn auch in der sozialdemokratischen Fraktion gibt es Widerstände gegen die schwarz-rote Allianz.

Frau Christine Lieberknecht steht also vor schweren Zeiten. Wichtig wird in den nächsten Monaten sein, dass persönliche Differenzen innerhalb der CDU nicht zur Belastung für das Land werden. Wichtig wird gleichzeitig, dass das Land eine Regierung hat, die handlungsfähig ist und sich nicht andauernd im Kreis dreht. Und wichtig wird schließlich, dass eine starke Opposition aus Linken, Grünen und FDP im Parlament jeden Schritt und Tritt genauestens überwacht und gegenbenfalls protestiert, denn eins bleibt: Thüringen hätte Rot-rot-grün deutlich besser getan, meint

der Glasperlenspieler

Für die Menschen! Für wen denn sonst?

Erst Matschie, dann Ulrich und jetzt? Nach den Landtagswahlen in einigen Bundesländern ist die politische Lage in Deutschland gespaltener denn je. Wir sehen auf der einen Seite (voraussichtlich) Schwarz-gelb auf Bundesebene, Schwarz-rot in Thüringen, Jamaika im Saarland und, wie heute vermeldet, Rot-rot in Brandenburg. In den anderen Bundesländern sieht es ähnlich aus: Schwarz-gelb bsw. in Sachsen, Schwarz-grün in Hamburg, Rot-Grün in Bremen, nur Schwarz bsw. in Bayern und nur Rot in Rheinland-Pfalz, aber auch Rot-rot in Berlin. Eine bunte Republik möchte man meinen, eine gesunde Demokratie lebt ja von der Abwechslung, von der Vieltfalt der Meinungen und Lebensentwürfe.

Doch schauen wir uns einmal die Kehrseite dieser vornehmlichen Vorbildlichkeit an, denn was ist in den letzten Tagen passiert? Zum einen hat Christoph Matschie (SPD) entschieden, dass ein Politikwechsel für Thüringen auch mit der verfilzten CDU möglich ist, wohl gemerkt gegen eine Mehrheit der Mitglieder der eigenen Partei, die sich nun zur Wehr setzen. Im Saarland hingegen hat sich Hubert Ulrich (Grüne) entschieden, dass er nicht mit Lafontaine kann und hat deswegen der Basis den Vorschlag gemacht eine Jamaika-Koalition zu etablieren. Dies ist neu für das deutsche Ländle und wie so oft ist auch das Saarland Vorbild für die Rest-Republik. Was das allerdings bedeutet, dabrüber muss man sich erst einmal Gedanken machen. Wie muss man sich Schwarz-gelb-grün also vorstellen? Ein grüner Umweltminister verwaltet Atomkraftwerke und streicht Förderungen für erneuerbare Energien? Ein grüner Bildungsminister ist gegen längeres gemeinsames Lernen und für Studiengebühren?

Und überhaupt: wie blind muss man denn sein oder wie machtversessen? Wie kann man mit einer CDU zusammenarbeiten, die sich zunächst für G8 (also acht Jahre Sekundarstufe anstatt neun) und Studiengebühren eingesetzt hat und nun nichts mehr davon wissen will? Wie kann der Wahlverlierer Peter Müller, der das Saarland an die Wand gefahren hat und bei der Wahl dafür bitter abgestraft wurde, weiter Ministerpräsident bleiben? Und warum müssen persönliche Animositäten über politische Schnittmengen bestimmen, ja in was für einem Land leben wir eigentlich?

An allen Ecken des Landes spüren die Menschen, dass über ihre Köpfe hinweg entschieden wird, dass der Wählerwille nichts zählt, wenn eine Distanz zwischen den handelnden Politikern besteht. Die Linke bsw. wird immer noch als Nachfolger der Nachfolger der SED verstanden, obwohl sie sich an allen Stellen erneuert, ja geradezu gewandelt hat. Viele Menschen haben das, hingegen zu einer Vielzahl von politischen Akteuren, wahrgenommen. Nicht umsonst erhält diese Partei zur Bundestagswahl knapp zwölf Prozent der Wählerstimmen. Die Linke ist zu einer Partei erwachsen, die koalitionsfähig ist und in der Regierung praktisch für die Menschen gute Arbeit machen kann. In vielen thematisch radikalen Ansichten muss sie allerdings noch gezähmt werden – dies kann allerdings nicht durch Ausgrenzung geschehen!

Doch es geht zunächst nicht nur um die Linke oder irgendeine andere Partei. Es geht um eine neue, eigentlich selbstverständliche politische Kultur, die dem Wähler und seinem Stimmenentscheid Tribut zollt. Das bedeutet bsw., dass das Wahlrecht in Deutschland dergestalt verändert wird, dass das tatsächliche Ergebnis der Zweitstimmen genau die Sitze im Bundestag widergibt, die unsäglichen Überhangmandate also wegfallen. Das bedeutet weiterhin mehr Möglichkeiten zur direkten Demokratie, bsw. Volksentscheide auf Bundesebene, usw. Die Politik darf sich nicht von den Menschen und der Menschlichkeit entfernen, denn nur für sie ist sie da.

Der Glasperlenspieler

Thüringer SPD-Chef Matschie: Unsere Basis interessiert mich nicht!

1. Oktober 2009 1 Kommentar

Noch vor wenigen Stunden hätte man fest auf Rot-rot-grün in Thüringen wetten können. Programmatisch habe man zu 80% überein gestimmt, sagt Linke-Chef Ramelow. Und auch die Grünen hatten nun zugestimmt. Doch dann kam der SPD-Parteivorstand und über dessen Entscheidung müssen auch Beobachter überrascht sein.

Was war passiert? Gestern, mittlerweile einen Monat nach der Landtagswahl in Thüringen, verhandelten SPD und Linke noch einmal über eine Koalition und vor allem über die Frage, wer neuer Ministerpräsident werden soll. Die SPD, die in den Wahlen deutlich hinter den Linken lag, beansprucht weiterhin das Amt, damit können die Linken jedoch nicht leben. Warum soll man sich auch als Partei zweiten Ranges behandeln lassen? Thüringens SPD-Chef Matschie verhandelt am Abend dann mit der CDU, da ist schon klar: die beiden kommen zusammen, es wird nur noch über die Posten verhandelt. Die CDU macht weitgehende Zugeständnisse und alle sind glücklich.

Alle? Während Matschie der Presse Interviews gibt, demonstriert die Basis, insbesondere die Jusos, gegenüber mit einem großen Transparent: „Schwarz-rot ist unser Tod“ Doch Matschie gibt sich trotzig: Man könne es nicht allen Recht machen. Die SPD-Basis, das sind die Parteimitglieder, ohne die die Führung nicht existieren würde, scheint den Thüringer SPD-Landesvorsitzenden Christoph Matschie nicht zu interessieren.

Es ist jene Arroganz von einigen SPD-Politikern, die der SPD Schaden zufügt. Eine kleine elitäre Machtkaste, die meint alles besser zu wissen, die sich vor allem um Posten und die eigene Absicherung kümmert. Vielleicht ist die Moral aber auch eine andere: Können wir noch tiefer fallen, als es jetzt schon geschehen ist? Man möchte sagen: Verdient habt ihr es, wenn ihr die Stimmen der Bürger nicht hören wollt. Ein Politikwechsel in Thüringen bleibt damit aus. Und noch eins: Die Basis muss auf einem Parteitag über den dann stehenden Koalitionsvertrag abstimmen. Eine letzte Chance bleibt also.

Der Glasperlenspieler