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Posts Tagged ‘Angela Merkel’

Das Unbekannte begegnet uns

Als gestern in Berlin die Mauer fiel, saß Angela Merkel zwischen den versammelten Staatschefs und schaute, wie man sie eben kennt, wortwörtlich bedröppelt drein. Den ganzen Tag über hatte es geregnet und auch am Abend wollte es nicht schöner werden. Dabei hatten sich die Veranstalter viel Mühe gegeben, die Großen von damals waren alle nochmal nach Berlin gekommen (nur Helmut Kohl fehlte) und feierten besonders: sich selbst. Natürlich hörte man jede zweite Minute, dass es die Menschen waren, die diese Mauer niederrissen (so war es ja auch), doch überzeugen wollte das alles nicht. Seltsam dümmlich kam einem das Gezeter von Thomas Gottschalk vor, seine Fragen, seine Gestik und Mimik, erinnerten eher an einen miesen „Wetten, dass … ?“-Abend, als an die Würde eines unvergesslichen Moments. Vielleicht war das auch der Kanzlerin bewusst, als sie ihre Worte an die Menschen richtete …

Heute nun gab es die erste Regierungserklärung der Kanzlerin im Bundestag. Zuvor war es schon zu kritischen Äußerungen seitens der Opposition gekommen, da die Regierungserklärung nicht gleich auf die Vereidigung der Kanzlerin und des Kabinettes folgte, nun allerdings hat die Regierungschefin die Karten auf den Tische gelegt. Kurz nach elf Uhr setzte Angela Merkel an und nach einer Stunde wusste man so viel, wie vorher: Anpacken, die Krise überwinden, Wachstum generieren, die Menschen mitnehmen, die Umwelt akzeptieren, Arbeitsplätze halten, Steuern senken, Generationengerechtigkeit wahren und die Soldaten unterstützen. Altbekanntes vermischt mit Euphorie und Entschlossenheit. Eine Rede, die besonders der FDP entgegenkommt, da die Steuersenkung nun konkret auf 2011 gesetzt wird, aber auch konservative Kreise anspricht, wenn beispielsweise vom Erziehungsgeld die Rede ist, dass gezahlt wird, wenn die eigenen Kinder von den Eltern zu Hause betreut werden.

Frenetischer Applaus schon während der Rede aus den Reihen der Regierungskoalition und wütende Schreie auf den Oppositionsbänken. Alte Spiele, alte Akteure und alte Gebärden. Steinmeier, der ehemalige Außenminister und jetzige Oppositionsführer wetterte gegen die Kanzlerin, warf ihr bewusste Täuschung der Bürger vor und sprach von der „Rolle rückwärts“ in der Atomfrage. Gleichzeitig ziehe Merkel neue Mauern hoch und reiße keine ein.

Da war sie also wieder, die Mauer. In der Berliner Republik ist sie beherrschendes Thema und wird es auch noch bis zur 20. Einheitsfeier bleiben. Das Feuerwerk, das gestern hinter dem Brandenburger Tor in den Himmel schoss kann auch den Weg in die falsche Richtung bedeuten, denn: Der Himmel ist viel zu weit entfernt, die Mauern sind hier und nicht dort, sie sind in den Herzen vieler Menschen leider immer noch fest verankert, sie führen zu gegenseitigem Misstrauen, Beschimpfungen und Vorbehalten. Diese Mauern sind nicht mit Händen zu greifen, sie sind implizite Mahner, die im Untergrund agieren und den Dolch an ungeahnter Stelle platzieren. Sie sind das Unbekannte, das man so schwer bekämpfen kann, gegen das keine Wachstumsrhetorik und keine Freudenfeier hilft. Dem Unbekannten kann man nicht begegnen, das Unbekannte begegnet uns.

Der Glasperlenspieler

Dresden verliert Welterbestatus. Zu Recht!

Zur Entscheidung der UNESCO, Dresden den Welterbetitel abzuerkennen:

Diese Entscheidung musste kommen und sie kommt zu Recht. Wer auf Beton setzt und nicht auf den Erhalt der Kulturstätte kann nicht den Titel Welterbe tragen. Die UNESCO hat mit ihrer Entscheidung, Dresden den Welterbetitel wegen der Waldschlösschenbrücke abzuerkennen, nach langen Diskussionen folgerichtig gehandelt und sich nicht länger an der Nase herumführen lassen.
Dies ist eine Blamage nicht nur für Dresden, sondern auch für das gesamte Bundesgebiet. Gerade die Bundeskanzlerin, die sich in keinster Weise für den Erhalt eingesetzt hat, steht damit als Getroffene da. Und auch die Bürgermeisterin von Dresden, Helma Orosz, die schon vor ihrer Wahl 2008 als Verfechterin der Brücke galt, muss eine neuerliche Niederlage hinnehmen.

Dresden kann auf den Welterbetitel nicht verzichten, gerade im Tourismus muss Dresden Rückgänge verbuchen. Eine Stadt, die hochnäsig darauf verweist, auf das Welterbe nicht angewiesen zu sein, wird die Quittung im Umkehrschluss bekommen: Image-Schaden, weiter sinkende Besucherzahlen, weniger Gelder aus Bundesfonds und ein steter Rückzug auf dem Sektor der Kunst und Kultur.
Dafür hat die UNESCO eine weise Entscheidung getroffen. Das Elbtal werde durch die Brücke irreversibel zerschnitten und die Flussauen werden zerstört. Doch die Betonköpfe in Dresden, man hört sie stetig rufen: Wir bauen, wir bauen!

Der Glasperlenspieler