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Maarten ‚t Harts Schneeflockenbaum

Einmal habe ich es hier schon beschrieben und jeder, der sich öfter mal ein Buch zur Hand nimmt, kennt diesen Moment: den Augenblick des Übergangs, das Wissen darum, dass das jetzt noch gelesene Buch schon bald zu Ende sein wird und man nicht weiß, was danach kommen soll. Wie weiter im Moment des Glücks, was kann denn diese Zeilen noch übertreffen und wo finden wir uns wieder, wenn die letzte Seite umgeblättert ward? Mein Lieblingsautor Maarten ‚t Hart, schon seit unzähligen Jahren bin ich ihm verfallen, hat letztes Jahr ein Buch geschrieben, dass nun in diesem Jahr auf deutsch erschienen ist.

Der Schneeflockenbaum ist ein Roman über einen Jungen, der ein wirklich gestörtes Verhältnis zu allem hat, was ihn umgibt; sei es sein bester Freund, seien es seine Eltern, die Beziehung zu Mädchen oder gar seine Verdauung. Seine einzige Ruhe, seine wirkliche Bewegtheit wird ihm durch die Musik zuteil – ein wiederkehrendes Motiv, dass jedes Buch von Maarten ‚t Hart durchzieht. Von Bach, Dvorak oder Mozart kann er gar nicht genug bekommen; letzterer verhagelt ihm sogar mal eine Beziehung zu einem schönen Mädchen. Auch andere, den Autor immer wieder beschäftigende Thematiken, werden aufgegriffen: Entfremdung von der Religion, Naturerkundung und -genuss (der Ich-Erzähler ist Biologe, ja Parasitologe), die Liebe und das unbestimmte Gefühl, zwar offenen Auges durch die Welt zu ziehen, dabei aber rein gar nichts wirklich zu verstehen. Ein großartiges Buch, das in vielen Teilen an ‚t Harts bestes Buch, Gott fährt Fahrrad oder die wunderliche Welt meines Vaters, heranreicht und es teils übertrifft.

Mitten im Lesefluss, und es ist nebenbei bemerkt wirklich ein Fluss, denn man hat die knapp über 400 Seiten wie nichts weg, beschlich mich die böse Angst, dass das nächste Buch, das ich lesen werde, wohl nicht mehr so großartig sein wird. Gleichwohl, man darf Bücher nicht einfach so vergleichen. Das habe ich mir dann auch gesagt und zu einem Buch gegriffen, das dem zuvor gelesenen so ganz und gar nicht entspricht.

Die Kritiker waren ja mal wieder, mit wenigen Ausnahmen vollends überzeugt vom neuen Buch von Martin Mosebach. Dem Büchnerpreisträger soll, so schreibt bsw. der angesehene Literaturkritiker Ulrich Greiner von der Zeit, „der große Gesellschaftsroman unserer Tage“ gelungen sein. In allen Besprechungen ist man, wie schon zuvor, besonders von Mosebachs sprachlicher Gewandheit überzeugt, der Inhalt wiederum mag nicht allen Kritikern gefallen. Naja, also ab aufs Fahrrad geschwungen, dabei nochmal über die ein oder andere Alternative nachgedacht und dann Was davor geschah gekauft.
Abwarten, ob der Übergang gelingt.

Christian Helfricht

  1. 12. September 2010 um 11:12 am

    Ich finde diesen Moment manchmal so schrecklich-man hat ein Buch, das einen über einen Zeitraum begleitet und auf einmal ist es zu Ende. Wie im freien Fall… Noch schlimmer ist es, wenn sich die Geschichte über mehrere Bänder zieht und einen über Jahre hinweg begleitet hat…

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